Neulich saß ich wieder mal mit mehreren Frauen in einer lockeren Runde zusammen. Irgendwann kam das Gespräch wieder einmal auf das Gendern. Und wieder gab es die üblichen Argumente dagegen:
„Also ich brauche das Gendern nicht und finde es echt überflüssig – ich habe mich immer mitgemeint gefühlt.“
Sagt eine Frau – und ich denke still bei mir: „Vielleicht hätte sie einen ganz anderen Beruf erlernt oder erlernen wollen, wenn es damals, als sie klein war, nicht immer Arzt, Ingenieur, Lehrer, Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzender geheißen hätte?“ Stattdessen ist sie Assistentin der Geschäftsführung geworden – und ich frage mich beim Schreiben gerade, wie viele „Assistenten“ der Geschäftsführung es eigentlich gibt? Verstehe mich nicht falsch – es geht mir nicht ums Berufe-Bashing: Jede Frau, die glücklich ist als Assistentin, Sekretärin, Pflegerin, Kindergärtnerin, Krankenschwester usw. ist wunderbar. Wenn sie ihre Berufung gefunden hat, ist das toll, wenn sie mit sich zufrieden den Familienunterhalt damit bestreitet, habe ich allergrößte Hochachtung vor ihr.
Als Texterin (genau – nicht Texter!!!) und Frau, die sich zum einen berufsbedingt dauernd mit dem Thema Gendern auseinandersetzen muss und daran gar nicht vorbeikommt, und die zum anderen um die bewusstseinsbildende Macht der Sprache weiß, stelle ich mir ziemlich oft die Frage, was gewesen wäre, wenn…
Hätten nicht viel mehr Frauen eine größere Motivation verspürt, einen vermeintlich „männlichen“ Beruf zu erlernen? Hätten sie sich das eher zugetraut, wenn schon damals beide Berufsbezeichnungen ganz selbstverständlich üblich gewesen wären? Hätte es nicht viel eher eine Kanzlerin in der BRD gegeben? Oder nicht schon jetzt eine amerikanische Präsidentin? Oder sogar eine Päpstin?