Dieser Blogartikel ist von Daniela Scheurer. Sie ist Pikler-und Kindergartenpädagogin und begleitet Familien mit Babys und Kleinkindern in Eltern-Kind-Gruppen und Einzelberatungen
Mila ist 8 Monate alt. Sie kriecht auf ihrem Bauch durch den Raum, findet eine kleine Schüssel aus Metall und ergreift sie. Sie dreht sich mit der Schüssel in der Hand auf den Rücken, dreht sie in der Hand, betrachtet sie, legt sie von einer Hand in die andere. Zwischendurch steckt sie sie in den Mund und betrachtet sie danach wieder. Sie dreht sich wieder auf den Bauch, lässt die Schüssel fallen und kriecht weiter, um sich einen Ball zu schnappen.
Während ich Mila beim Spielen zusehe, erinnere ich mich an meine eigene Kindheit. Ich liege bei meiner Oma in der Küche am Boden und baue mit Steckblumen eine ewig lange Schlange, während sie kocht oder bügelt. Ich tauche ein in meine eigene Welt, vergesse die Zeit und bin ganz mit mir beschäftigt. Aber ich bin nicht alleine. Meine Oma ist immer da. Denn wenn ich mal kurz aufschaue, sieht sie mich und lächelt mir zu. Und wenn ich sie bitte, sich meine Schlange anzusehen, dann wird sie das tun. Diese Zuversicht fühlt sich gut an.
Ich spüre Geborgenheit und Freiheit. Die Freiheit, mich um das zu kümmern, was ich selber gerade machen möchte, aber gleichzeitig weiß ich, dass da jemand ist, den es interessiert. Jemand, der entweder bei mir sitzt, oder in seine eigenen Tätigkeiten vertieft, einfach da ist.
Freies Spiel bedeutet für ein Kind, dass es sich selbst aussucht, womit und wie es mit dem ihm zur Verfügung stehenden Material spielen möchte. Keine Erwartungen von außen und somit keine Über-oder Unterforderung. Schon ein Säugling sucht sich im freien Spiel seine Herausforderungen je nach Entwicklungsstand selbst.
Damit das freie Spiel von Anfang an gelingt, braucht es ein Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren. Das Kind braucht Spielmaterial, das seinen Entwicklungsbedürfnissen entspricht und genügend Zeit, um sich damit zu beschäftigen. Ein sicherer Raum, der auch zum Bewegen einlädt und eine aufmerksame Bezugsperson tragen dazu bei, dass das freie Spiel zu einem unvergesslichen (Lern)Erlebnis wird.
Denn “das Freispiel ist die höchste Form der Forschung”, sagte schon Albert Einstein. Also ermöglichen wir das unseren Kindern, so oft wie möglich. Damit es von Anfang an auch gelingt, teile ich gerne die folgenden Punkte mit dir.
Tipp #1: Stelle geeignetes Spielzeug zur Verfügung
Vermutlich stellst du einem sechs Monate altem Baby kein 100 Teile Puzzle zur Verfügung. Denn, was würde das Baby wohl damit machen? Es würde die Teile ausräumen, in der Hand fühlen, in den Mund nehmen und es damit vermutlich kaputt machen. Außerdem besteht die Gefahr, dass es die Teile verschluckt.
Um einem Kind ein freies Spiel zu ermöglichen, in dem es versinken kann und das seinen Entdeckergeist weckt, braucht es Spielmaterial, das nicht gefährlich ist und mit dem es sich nicht verletzen kann.
Ein Baby oder Kleinkind braucht für sein freies Spiel kein teures Spielmaterial, wie es uns die bunte Reklame oft einzureden versucht. Spielzeug, das leuchtet oder singt, wenn man einen Knopf drückt, können Kinder noch nicht nachvollziehen und verstehen. Da führt meist dazu, dass es sie schnell langweilt.
Für Babys und Kleinkinder ist es sinnvoller, einige wenige Materialien aus deinem eigenen Haushalt zur Verfügung zu stellen. Durchforste gerne mal deine Küchenladen, Gegenstände aus dem täglichen Leben und überlege, was davon du zum Spielen abgeben kannst. Das Geld, das du dabei sparst, investiere lieber in hochwertiges Material, das jahrelang für dein Kind interessant ist.
Tipp #2: Richte einen gemütlichen Platz zum Spielen ein
Der schönste Platz zum Spielen ist in deiner unmittelbaren Umgebung. Wir tendieren dazu, die Zimmer unserer Kinder nach Instagramvorlagen oder wie in einem schicken Möbelhaus einzurichten, in der Hoffnung, dass das Kind sich dort alleine beschäftigen wird. Allerdings ist es für junge Kinder viel wichtiger, in der Nähe seiner Bezugspersonen zu sein, um in ein eigenständiges Spiel versinken zu können.
Richte am besten im Wohnzimmer eine Ecke, wo dein Kind ungestört und stressfrei spielen kann. Für Babys kann der Platz auch durch ein Spielgitter begrenzt sein. Es ist wichtig, dass sich im Spielbereich keine unmittelbaren Gefahren befinden. Sichere offene Steckdosen mit einem Schutz und räume Blumen aus dem Weg.
Der Platz sollte genügend Raum für Bewegung bieten, da ein freies Spiel ohne Bewegung für ein Kind kaum möglich ist. Das Experimentieren mit dem eigenen Körper ist mit dem Spielen eng verbunden. Ein Baby, das sich auf den Bauch drehen will, braucht genügend Platz, damit die erste Bauchlandung auch gelingen kann. Ein dreijähriges Kind braucht Platz und Möglichkeiten zum Turnen und Toben, nachdem es dem Bären Essen gekocht hat.
Vermeide ablenkende Hintergrundgeräusche wie laufende Radios oder Fernseher. Auch, wenn du denkst, dass dein Kind nicht hinhört oder hinsieht: es beeinträchtigt es dennoch, sich richtig in sein Spiel zu vertiefen und daraus eine befriedigende Erfahrung zu schöpfen.
Schaffe für das Spiel also eine JA-Umgebung, so gut es bei dir möglich ist. Je weniger Grenzen du setzen musst, umso entspannter kann dein Kind spielen.
Tipp #3: Sei interessiert am Spiel deines Kindes, aber störe es nicht dabei
Als Elternteil bist du für die Spielumgebung deines Kindes zuständig. Du kümmerst dich darum, geeignete Materialien zur Verfügung zu stellen und gegebenenfalls wieder zu ordnen. Dein Kind hat die Möglichkeit, nun auf Entdeckungsreise zu gehen oder seinem Lieblingsspiel nachzugehen.
Für das freie Spiel ist es wichtig, dass keine Erwartungen oder Einmischungen von außen kommen. Vertraue gerne darauf, dass sich dein Kind selbst die nötige Herausforderung für den nächsten Entwicklungsschritt setzt.
Wenn du Lust verspürst, mit deinem Kind zu spielen, setz dich doch einfach mal dazu und schau ihm zu. Was macht es und wie macht es das? Welche Vorschläge kommen dir gerade? Und was wäre, wenn du diesen Vorschlag jetzt aussprichst?
Versuche, dein Kind nicht in seinem Prozess zu stören, denn es würde abgelenkt und sich damit von seiner Selbstbestimmtheit entfernen. Ideen und Vorschläge können zur Überforderung führen oder letztlich dazu, dass das Kind sich nicht wertgeschätzt, nicht richtig fühlt.
Im freien Spiel gibt es kein richtig und kein falsch. Du kannst die Zeit damit verbringen, einfach zu beobachten, was und wie dein Kind spielt. Mach es dir mit einer Tasse Kaffee oder Tee so gemütlich wie möglich neben deinem Kind. Wenn es dich ansieht, lächle oder nicke ihm zu. Sprich auch gerne aus, was du siehst: “Du baust einen Turm, ich schau dir mal zu!”
Kinder lieben es, ihr Spiel mit uns Erwachsenen zu teilen. Das gibt ihnen das Gefühl, wichtig für uns und in dieser Welt zu sein. Deine Anwesenheit, die es nicht bewertet in dem, was es tut, trägt nachhaltig zur Entwicklung seines positiven Selbstvertrauens bei.
Wenn du dein Kind in seinem Spiel doch einmal unterbrechen musst, gehe zu ihm hin, begib dich auf seine Augenhöhe, berühre es sanft und sprich es mit klaren Worten an. Kinder sind oft so in ihrem Spiel versunken, dass sie deine Worte nicht wahrnehmen können. Die Berührung und der Augenkontakt tragen dazu bei, sie aus dem Spiel zu holen.
Bist du neugierig geworden?
Kinder lernen im freien Spiel sich und die Welt kennen. Das ungestörte Experimentieren mit verschiedenen Materialien lässt ein Kind die Welt begreifen. Diese Möglichkeit trägt zur Fähigkeit der Selbstbestimmung und damit zu einem positiven Selbstwertgefühl bei.
Wenn du nun Lust bekommen hast, deinem Baby/Kleinkind Zeit und Raum für freies aktives Lernen zu schenken, hol dir gerne meine Liste mit Spielmaterialien für die ersten Lebensjahre. Darin findest du einfaches und hochwertiges Material für Kinder von 0 bis 3 Jahren, die zu einem gelungenen Freispielerlebnis beitragen können.